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VENEZUELA



VENEZUELA FÜR AUSLÄNDER......
Chávez schätzt das Säbelrasseln. Doch es sieht eher so aus, als ob er Siege an der rhetorischen Front sucht, um von den heimischen Niederlagen abzulenken: von der immensen Kapitalflucht und den fehlenden Privatinvestitionen aufgrund seiner Verstaatlichungspolitik, vom beträchtlichen Rückgang der Erdölproduktion, den schwindenden Rücklagen und überhaupt: der düsteren Wirtschaftsperspektive.




Hrsg.: Klaus Schaeffler
2SP Consulting Team
schaeffler@cantv.net


1: In eigener Sache...
2: Wie sozial ist die bolivarische Revolution...
3: Die Inflation hebt wieder ab, besonders bei Nahrungsmitteln...
4: Billiges Erdöl gegen Färsen, Baumwolle und Bananen

5: und natürlich, schon immer ein Thema auch vor Chavez: Die (Un-)Sicherheit


In eigener Sache

Wir nehmen mit diesem Text unsere Anfang dieses Jahres unterbrochene Berichtstätigkeit in deutscher Sprache wieder auf und werden in Zukunft einmal monatlich aktuelle wirtschaftliche und soziale Entwicklungen in Venezuela kommentieren.


Wie sozial ist die bolivarische Revolution?

Umfangreiche Werbekampagnen der venezolanischen Regierung preisen deren Sozialpolitik, die sich vor allem in Form der zahlreichen „Missionen“ manifestiert. Auch in sonst durchaus kritischen Beiträgen ausländischer Medien wird immer wieder das soziale Engagement von Präsident Chávez herausgestrichen, der sich dadurch, so wird berichtet, von seinen Vorgängern im Amt unterscheide. Es besteht kein Anlass, an diesem Engagement zweifeln, nur, die Resultate zeugen keineswegs von einem sozialen Fortschritt in Venezuela. Verschiedene einschlägige Indikatoren lassen heute gar auf eine signifikative Verschlechterung der sozialen Lage der venezolanischen Bevölkerung im Vergleich zu 1998 und auf eine Verschlechterung der Einkommensverteilung schließen.

Wenngleich vier Prozent oder mehr des BIP in die Missionen „investiert“ werden, so ist deren Penetrationsgrad (Prozentsatz der Bevölkerung, die von ihnen erreicht werden) weitaus geringer, als die Regierungspropaganda suggeriert. Nach einer jüngsten Erhebung der Umfragefirma Datanálisis erreicht die Misión Mercal (Distribution subventionierter Nahrungsmittel) mit 47,2% der Bevölkerung den weitaus größten Personenkreis. Die Missionen der medizinischen Grundversorgung „Barrio Adentro“, „Barrio Adentro II“ und „Barrio Adentro III“, erreichen jeweils nur 20,9% 4,0% und 2,3% der Bevölkerung, die „Misión Vuelvan Caras“ 1,9% und die Misión Vivienda 0,6%.

Nach einer kürzlich von der UCAB (Universidad Católica Andrés Bello) veröffentlichten Studie werden lediglich 1.500 der jährlich 500.000 entbindenden Frauen von der Mission Barrio Adentro betreut. 20 Säuglinge unter einem Jahr sterben täglich an vermeidbaren Ursachen, 800.000 Kleinstkinder unter zwei Jahren weisen Ernährungsdefizite auf, 3 Mio. Kinder unter sechs Jahren haben keine regelmäßige Ernährung, 700.000 Kinder zwischen drei und sechs Jahren besuchen keine Vorschule, 200.000 Kinder bleiben der Grundschule fern und 500.000 Jugendliche „lungern herum“, d.h. sie haben weder Arbeit noch studieren sie.

Das etatistische Wirtschaftsmodell, weitgehend basierend auf der staatlichen Umverteilung der Erdöleinnahmen, erzeugt Armut. Kein Wunder auch, denn diese Erdöleinnahmen, von denen das Volk glaubt, sie seien hoch, liegen pro Kopf der Bevölkerung weit unter denen vor 30 oder 40 Jahren. Hätte man die Erdölexporterlöse des letzten Jahres in Höhe von 45 Mrd. USD gleichmäßig unter der Bevölkerung verteilt, wären auf jeden Einwohner Venezuelas 9.900 Bs./Tag entfallen, das sind gerade einmal zwei Arepas/Tag. 9.900 Bs. Tag für Investitionen in Infrastruktur, Gesundheit, Erziehung etc. Und das auch nur ohne die Subvention Kubas, Boliviens oder anderer großzügiger Geschenke und Projekte im Ausland.

Katastrophal sind die bisher im öffentlichen Wohnungsbau erzielten Resultate. Mit (seit 1999) insgesamt 170.000 fertig gestellten Wohnungen, bleibt die gegenwärtige Regierung weit hinter allen Vorregierungen seit 1958 zurück.

Letztlich, und das mag so Manchen erstaunen, ergeben die Einkommenserhebungen des nationalen statistischen Instituts INE für den Vergleich der Jahre 1998 mit 2005 eine Verschlechterung der GINI-Verteilungsfunktion (Funktion zur Beschreibung der personellen Einkommensverteilung). 1998 entfielen 4,4% des Volkseinkommens auf die ärmsten 20% der Bevölkerung und 50,7% auf die reichsten 20%. 2005 erhielten die ärmsten 20% nur noch 3,7% des Volkseinkommens und die reichsten 20% kamen auf 52,5%. Kein rühmliches Ergebnis für eine Regierung, welche die Gleichheit propagiert.

Es gibt sicher vielfältige Ursachen für diese Entwicklung. Eine liegt in der Steuerpolitik, die in den letzten Jahren in zunehmendem Masse indirekten Steuern, vor allem der regressiv wirkenden Mehrwertsteuer, den Vorzug gab. Eine andere in der grotesken Subventionierung von Kfz-Treibstoffen. Mit deren Verkauf unter ihre Gestehungskosten verzichtet die venezolanische Regierung momentan auf rund 2,5 Mrd USD Steuereinnahmen jährlich, knapp drei Prozent des BIP. Diese Subvention kommt weitgehend den reichsten 20% der venezolanischen Bevölkerung zu gute, die ein oder mehrere Kfz besitzen.


Die Inflation hebt wieder ab, besonders bei Nahrungsmitteln

Mit Hilfe der Einfrierung des Außenwertes der venezolanischen Währung und Dank eines Systems von Wechselkurskontrollen, Preiskontrollen und subventionierten Einfuhren von Nahrungsmitteln, die über die staatliche Distributionskette Mercal ohne die Erhebung von Importzöllen und Mehrwertsteuer unter die Menschen gebracht werden, konnte bisher die Inflation in Venezuela einigermaßen in Schach gehalten werden. Zwar gehört sie immer noch zu einer der höchsten in Lateinamerika, doch wies ihre Jahresrate im letzten und in den ersten Monaten des laufenden Jahres eine sinkende Tendenz auf. Im Januar 2006 noch bei 13,4% liegend, sank sie bis Mai auf 10,4%, und für das gesamte Jahr 2006 wurde von der Regierung eine Rate von unter 10% angepeilt.

Das wird wohl nicht klappen, denn in den Monaten Mai, Juni und Juli lagen die monatlichen Raten mit 1,6%, 1,9% bzw. 2,4% jedes Mal über denen des jeweiligen Vormonats und die Jahresinflationsrate im Juli damit wieder bei 13,5%. Die Rate im Juli war die höchste in 15 Monaten. Bis zum Jahresende muss deshalb realistischer Weise eher wieder von einer offiziell gemessenen Inflationsrate ausgegangen werden, die zwischen 15% und 16% liegen dürfte. Die offizielle Messung des Konsumgüterpreisindex der Zentralbank basiert auf einem Warenkorb, der die Konsumgewohnheiten der Mittelklasse und höheren Einkommensschichten im Lande mit Sicherheit nicht widerspiegelt. Mithin dürfte der Kaufkraftverfall der Einkommen dieser Gruppen um einige Prozentpunkte darüber liegen.

Ungeachtet dessen zeigt jedoch eine Untersuchung der Preisentwicklung bei einzelnen Warengruppen, dass die Armen im Lande, die sowieso schon stärker unter jeder Art von Inflation leiden, in den letzten Monaten wieder besonders hart getroffen wurden. Sie müssen 60% und mehr ihrer Einkommen für Nahrungsmittel ausgeben (die durchschnittlichen Haushaltsausgaben dafür liegen in Venezuela bei 36%), und deren Teuerungsrate lag in den letzten Monaten weit über dem Gesamtindex. So wurden Nahrungsmittel und nichtalkoholische Getränke alleine im Juli um 5,1% teuerer und in den letzten zwölf Monaten um 23,5%. Und das sind, wie gesagt, die offiziellen Zahlen. Sie messen die Teuerungsrate der preiskontrollierten Waren an der Entwicklung ihrer amtlichen Preise, zu denen sie jedoch oft nicht erhältlich sind. Nach der zuverlässigen unabhängigen Quelle CENDA (Centro de Documentación y Análisis de los Trabajadores) lagen im Juli die Preise für einige preiskontrollierte Waren um bis zu 273% über ihrem amtlichen Preis. Kaffee (!), Hühnerfleisch und Zucker (!) waren zeitweise aus den Regalen verschwunden. Momentan kommt der Zucker in Venezuela aus Brasilien.

Die Ursachen für das neuerliche Anziehen der Preise liegen in der durch die öffentlichen Ausgaben verursachten Geldschwemme. Zusammen mit der Einführung der Wechselkurskontrollen im Februar 2003 und der Explosion der Erdölpreise hat die venezolanische Regierung damit begonnen, das Geld mit vollen Händen auszugeben, ohne entsprechenden Gegenpart in der Realwirtschaft, bei den Investitionen, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Produktion von Gütern und Dienstleistungen.

In den letzten drei Jahren hat die umlaufende Geldmenge um 255% zugenommen, die Produktion jedoch lediglich um 17%. Alleine für die erste Hälfte des laufenden Jahres wird das Liquiditätswachstum auf 49% geschätzt. Auch wenn das BIP-Wachstum dieses Jahr auf Grund der Erdölbonanza möglicher Weise rund sieben Prozent betragen wird, wird das der Geldmenge sehr viel größer sein. Einige Industriezweige arbeiten nach Angaben der Zentralbank bereits wieder mit voller Kapazitätsauslastung, und Erweiterungsinvestitionen werden wegen des negativen Investitionsklimas kaum getätigt. Keine Chance mithin, die Inflation einzudämmen. Auch die bolivarische Revolution wir nicht umhin kommen, irgendwann die Gesetzmäßigkeiten des wirtschaftlichen Einmaleins zur Kenntnis zu nehmen.


Biliges Erdöl gegen Färsen, Baumwolle und Bananen

Vor noch nicht allzu langer Zeit wurde Präsident Chávez von einigen Beobachtern verschiedentlich als Integrationsfaktor in Lateinamerika bezeichnet, gar als Stratege einer neuen lateinamerikanischen Integration. Eine leichte Verwechslung seiner angeblichen „persönlichen Erfolge“ im Subkontinent, gespeist von einer unablässigen Integrationsrhethorik, mit der integrationspolitischen Realität. Verschiedene zum Teil bissige Beiträge aus Brasilien, Argentinien und nicht zuletzt auch der am 27. Juli in „The Economist“ erschienene Artikel nach der Gipfelkonferenz in Córdoba („Downhill from here“) haben diese Bild zurecht gerückt. Chávez gilt heute bei Vielen als Urheber der Fragmentierung von Integrationsbestrebungen in Lateinamerika.

Was die venezolanische Regierung außenwirtschaftspolitisch von seinen lateinamerikanischen Nachbarn abhebt, ist die Unterzeichnung zahlreicher Energieabkommen und anderer bilateraler Handelsvereinbarungen bei jeder der häufigen Auslandsreisen des venezolanischen Staatspräsidenten, und das nicht nur innerhalb des Subkontinents, sondern weltweit nach der Devise „billiges Erdöl gegen alles Mögliche“, möglichst im staatlichen Tauschhandel. Natürlich hängt dies auch mit der Werbung für Stimmen in den Vereinten Nationen bei der bevorstehenden Wahl der nicht ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates zusammen, ein für Venezuela teures Unterfangen.

Mittlerweile kamen schon mehr als 25 Länder in den Genuss des „reisenden Scheckheftes“, wie der venezolanische Staatspräsident von einigen Beobachtern genannt wird. Am Besten weg dabei kam bisher Kuba mit insgesamt 49 wirtschaftlichen, sozialen und energiepolitischen Abkommen, die der Insel zunächst einmal das wirtschaftliche Überleben garantieren.

Um dem Industrialisierungsprozess in Uruguay neue Impulse zu verleihen, bestellte Venezuela in diesem Land 12.000 Fertighäuser. Aber auch 4.500 Färsen (Rasse Holstein) für die Viehzucht in den venezolanischen Anden, von denen bisher 1.500 geliefert wurden. Zuvor wurde dieses Projekt mit 700 Färsen aus Argentinien bestückt.

Während seiner Anfang August abgeschlossenen Weltreise unterschrieb der venezolanische Staatspräsident in Vietnam zwei Regierungsabkommen bez. des Kulturaustauschs und der energiepolitische Zusammenarbeit. Er versicherte dabei, Venezuela könne Vietnam dabei behilflich sein, seine Erdöl- und Erdgasreserven zu raffinieren.

Mit dem Iran schloss Venezuela insgesamt 12 Abkommen in den Bereichen Erdöl, Industrie, Luftfahrt, Wohnungsbau und Medizin.

Die venezolanische PDVSA und die iranische PetroPars wollen bei einer Reihe von Explorationsvorhaben zusammenarbeiten. Der Austausch von Erfahrungen und Personal soll eine bessere Ausbildung von Erdölfachleuten auf beiden Seiten ermöglichen. Geplant ist die Gründung einer binationalen Einrichtung für die Exploration und Förderung von Erdgas.

Ein weiteres Abkommen mit dem Iran, sieht die für den Monat Oktober geplante Eröffnung eines nationalen Zentrums für petrochemische Fachausbildung vor. Dort sollen iranische und venezolanische Wissenschaftler und Fachleute zusammenarbeiten.

Eines der unterzeichneten Abkommen sieht die Errichtung einer Medikamentenfabrik in Venezuela mit iranischer Hilfe vor. Außerdem will man gemeinsam eine Fabrik für die Herstellung von Industrieformen errichten.

Der bereits funktionierenden binationalen Traktorenfabrik Veniran (50 der dort hergestellten Traktoren wurden kürzlich nach Bolivien verschifft) soll eine weitere Joint Venture zur Herstellung von Fahrrädern mit iranischer Technologie und Design folgen. Schließlich wurde die Zusammenarbeit auf luftfahrttechnischem Gebiet sowie die Gründung eines Büros für die gemeinsame Entwicklung von Wohnungsbauprojekten vereinbart.

Die Erdöllieferungen nach China, momentan durchschnittlich 168.000 barrel/Tag, sollen auf 300.000 barrel/Tag erhöht werden. Ein zeitlicher Rahmen hierfür wurde jedoch nicht genannt. Im Gegenzug will man in China Maschinen und elektronisches Gerät (Computer) kaufen.

Der venezolanische Staatspräsident und sein bolivianischer Counterpart Evo Morales haben mindestens acht bilaterale Abkommen für die Zusammenarbeit auf den Gebieten der wirtschaftlichen, sozialen, wissenschaftlichen und entwicklungspolitischen Zusammenarbeit unterzeichnet.

Darunter fällt ein Abkommen, das technische Assistenz und Beratung bei der Nationalisierung von Kohlewasserstoffen sowie der Stärkung der staatlichen bolivianischen Erdölholding YPFB vorsieht.

Im Rahmen weiterer Abkommen gewährt Venezuela Bolivien 5.000 Stipendien, um dort (mit kubanischer Hilfe) den Analphabetismus zu überwinden, liefert monatlich 200 Fass Diesel und nimmt Bolivien als Gegenleistung zusätzlich 200.000 Tonnen Soja jährlich ab.

Im Rahmen der im letzten Jahr gegründeten Petrocaribe erhält Grenada von Venezuela jährlich 340.000 Fass Erdölderivate und bezahlt diese mit Bananen und Muskatnüssen. Der afrikanische Staat Benin bezahlt Erdöllieferungen mit Baumwolle.

Die Liste der jüngst unterzeichneten energiepolitischen Abkommen und handelspolitischen Vereinbarungen ließe sich noch weiterführen. Präsident Chávez hat in diesem Zusammenhang auch zu Hause schon verschiedentlich versucht, die venezolanische Bevölkerung von den angeblichen Vorzügen des von ihm auf internationaler Ebene praktizierten Tauschhandels zu überzeugen. Nicht klar war deshalb, warum er sich, kaum war Venezuela in den Mercosur eingetreten, dort nicht nur für eine gemeinsame Streitmacht sondern unmittelbar auch für eine gemeinsame Währung einsetzte.

(Un-)Sicherheit

Der Bürgermeister des Caracas-Stadtteils Leopoldo López präsentierte bereits im Juni Informationen zur Entwicklung der Gewaltkriminalität im Lande. Die Informationen von López stammen aus offiziellen Quellen wie der CICPC (Kriminalpolizei), dem venezolanischen Gesundheitsministerium, von Nichtregierungsorganisationen wie Provea und internationalen Quellen.

Sie können über folgende URL herunter geladen werden: http://www.chacao.gov.ve/noticiasdetail.asp?Id=1886

Danach nahmen Mord und Totschlag zwischen 1998 und 2005 um 128% zu, “unbestimmte gewaltsame Todesfälle” um 74%, Morde mit Feuerwaffen um 36%, Entführungen um 426% und die Todesfälle durch “Leistung von Widerstand gegen die Autorität” um 353%.

Die Zahl der Tötungsdelikte in Venezuela, heute durchschnittlich 44/Tag, stieg zwischen 1986 und 2005 um 564%. 1986 (1.501) waren es 9 je 100.000 Einwohner, 2005 (13.200) waren es 40 je 100.000 Einwohner. Bemerkenswert ist dabei der rasante Anstieg dieser Delikte ab 1999.

Die Zahl der Toten auf Grund von “Widerstand gegen die Autorität”, in vielen Fällen außergerichtliche Hinrichtungen (1998 = 609) belief sich im Jahr 2004 auf 2.150. Nur 1,4% dieser Fälle werden gesühnt.

Das Verhältnis der getöteten Bürger zu den getöteten Polizisten liegt in Venezuela bei 39:1, in Brasilien bei 10:1 (international: 5:1).

Die Zahl der “restlich nicht determinierten gewaltsamen Todesfälle” hat sich zwischen 1998 und 2004 nahezu verdoppelt, sie stieg in diesem Zeitraum von 3.500 auf 6.093. Über 70% davon durch Feuerwaffen verursacht. Diese Todesfälle werden nicht als Morde registriert. Ebenso wenig übrigens die, bei denen es die Opfer noch lebend bis zum Krankenhaus schaffen und dort sterben. Sie fallen aus den offiziellen Statistiken heraus, denn diese beschränken sich auf Erhebungen in den Leichenschauhäusern.

Der Anteil der Morde, die mit Feuerwaffen verübt werden, stieg zwischen 1998 und 2004 um 36%, und er lag 2004 bei 86,7%. Kleinwaffen sind die wahren Massenvernichtungswaffen in Venezuela. Nach offiziellen Angaben des Innen- und Justizministeriums soll es davon sechs Millionen in Venezuela geben, von denen lediglich 1,5 Millionen registriert sind. Kein Wunder, dass Venezuela bei den Todesopfern durch Feuerwaffen nach einer in 57 Ländern durchgeführten Untersuchung (Unesco, Weltbank) mit 38,75 je 100.000 Einwohner (2004) noch vor Kolumbien an erster Stelle liegt.

Die größte Zahl der Mordopfer ist zwischen 15 und 29 Jahre alt. In dieser Altersgruppe war 2004 der gewaltsame Tod mit 31,88% die am häufigsten diagnostizierte Todesursache, gefolgt von Unfällen aller Art mit 28,7% und Krebserkrankungen mit 4,65%.

Die Schuld an dem rasanten Anstieg der gewaltsamen Tötungsdelikte wird zu einem guten Teil der Straffreiheit zugeschrieben. Von den 2004 bekannt gewordenen 9.719 Tötungsdelikten wurden 6.006 (61,80%) von den Staatsanwälten bearbeitet, es gab 1.202 (13,19%) Festnahmen und nur 680 (7,00%) Verurteilungen, d.h. 93% der Tötungsdelikte dieses Jahres blieben ungesühnt.

Die Zahl der polizeilich gemeldeten Entführungen stieg von 1999 bis 2005 von 44 auf 263. Es existiert in diesem Bereich jedoch eine ganz erhebliche Dunkelziffer.

In 2001 wurde der “Notstand” in den Gefängnissen ausgerufen. In dem genannten Jahr gab es dort 249 Tötungsdelikte. 2002 waren es dann 317 und 2003 schon 402. 2004 (342 Tötungsdelikte) wurde abermals der “Notstand” ausgerufen, danach, in 2004, waren es 408 durch Gewalt verursachte Todesopfer. Im Vergleich zu der Gefängnisbevölkerung von Brasilien, Argentinien, Mexiko und Kolumbien ist die Zahl in Venezuela 36-mal höher als in diesen Ländern. Dort liegt die Zahl der Morde je 1.000 Gefängnisinsassen bei 0,6, in Venezuela bei 20,06.

Die libanesische Regierung meldete, dass in den ersten 25 Tagen des momentan in diesem Land wütenden Krieges 925 Menschen umgekommen sind.
In Venezuela waren es im gleichen Zeitraum rund 1.100.


Presidente de Venezuela Hugo Frias Chavez



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